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“man reist ja schließlich nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen” (Goethe) – Part IV

Samstag

Es ist kurz vor 6 Uhr morgens und ich stehe in einem Terminal von einem der schrecklichsten Flughäfen der Welt. Bin hundemüde und übernächtigt. So richtig frisch riechen tu ich auch nicht mehr. Ich stelle erst den ganzen Tripp in Frage. Dann kurz meine bloße Existenz. Aber ich fühle mich zu beschissen für nen Traum. Ich werd zu alt für die Scheisse… aber ich glaub mir fehlt nur n Tick Schlaf und n ordentlicher Kaffee. Nicht aufgeben, ich steht vor dem großen Finale.

Kurzer Ausflug in die Vergangenheit: vor langer Zeit war ich Angestellter eine Airline und durfte Standby fliegen. Tolle Sache, wenn alles klappt. Damals aber wollte ich aus ORD nach SFO. Quasi ne Rennstrecke. Ich ging zum Gate um nach dem Load-Status des Flugs und meinen Chancen zu fragen. Damals war ich auf Platz 100irgendwas auf der Standby-Liste. Es gingen fast stündlich Flüge nach SFO, aber unter die Top 10 der Paxe, die grade nicht mehr mitgenommen wurden, schaffte ich es nicht. Ich schlief eine Nacht am Airport und wechselte nach ca. 30 Stunden Terminal und Airline um weiter zu kommen. Darum Horror-Airport.

Aber gut, ich diesmal bin ich ja kein PAD sondern ein PAX. Allerdings erst in ca. 8 Stunden. Ich mache mir erstmal auf ins Terminal für meinen Weiterflug, vielleicht gibt’s da ja ne Lounge oder sowas in der Art. Die Bahn bringt mich ins T5. Auch das ein schrecklicher Bau, quasi kein Konzept dahinter, mega eng und kein Raum für Rückzug. Das Terminal ist wie ausgestorben. Ich ziehe mich auf der Toilette um und frage an der Security nach einem Locker fürs Gepäck. Gibt’s aber natürlich nicht. Klar. Mein Fehler. Ich Dummerchen… 


Da gehts rein in die Bahn


Hmm… so richtig ab gehts hier aber nicht

Also gut, mit allen sieben Sachen ab zum T3 und dort in den Zug Richtung City. Für 10,50 USD schieße ich eine Tageskarte und fahre in ca. 40 Minuten mit der Blue Line bis „Jackson“. 


Erwache, du Ort der Grausamkeit…


Drohung oder Versprechen? Und warum macht man in diesem Verkehrsmittel Werbung für ein sog. „Premium-Produkt“?

Dort orientiere ich mich an der Sonne (ganz stolz!) und finde den Weg Richtung See bzw. Michigan Avenue. Komme zufällig an der Corner Bakery vorbei, in der ich vor vielen Jahren auch schonmal durch Zufall zu einem leckeren Frühstück gekommen bin. Ich checke dort ein, vertilge ein ordentliches Rührei samt Kaffee und schaue dem Treiben draußen zu. Vor allem Jogger auf dem Weg in den Park und einige Touristen verirren sich ums Gebäude herum. Ist ja schließlich Samstagmorgen, da kann und soll noch nicht viel gehen.


Rise and shine!


Durch Zufall wieder entdeckt!

 

Gestärkt vom Frühstück mache ich mich auf zum Park und hoffe auf ein paar nette Motive. Werde für meine Suche belohnt. Vor allem die „Bean“ beim Cloud Gate ist immer wieder toll und gibt ein dankbares Motiv ab.


Konvex, nennt sich das glaube ich?


Interessiert mich schon, die Bohne.

Nach einigen Bildern weiter Richtung City, ich will eigentlich auf den Willis Tower (für alle, die nicht up2date sind: das ist der Sears Tower, der nun so heißt). Unterwegs nutze ich kurz das freie WiFi eines McDonalds und werde auf der Strasse von einem Einwohner Chicagos gefragt ob ich Hilfe bei der Orientierung bräuchte. Ich lehne dankend ab, freue mich aber über die Hilfsbereitschaft – grade in ner Großstadt ist das nicht ganz üblich.

Bin recht schnell am Tower angelangt, allerdings schon vor 9 – und das Skydeck macht erst um 10 auf. Zudem sieht man die Turmspitze nicht. Ich schlußfolgere messerscharf: wenn ich die Spitze nicht sehe, dann sieht die Spitze mich und folglich den Rest der Stadt auch nicht. Hmm… das lasse ich mir bei nem Kaffee nochmal durch den Kopf gehen.


Sie sieht mich, sie sieht mich nicht…?

Gegen 9:30 laufe ich nochmal am Skydeck vorbei, die haben schon offen und ich stelle mich in die kurze Schlange. Wenn man schonmal da ist… Bevor ich mein Ticket kaufen will meldet die Dame allerdings „zero visibility“ – man sieht also nicht mal in der Ferne was. Ich blase das Vorhaben ab und laufe zur nächsten Haltestelle der Blue Line um wieder nach O‘Hare zu kommen.

Nach ner knappen Stunde anreise dort gleich ins T5 in der Hoffnung, dass bei den Kollegen der Swiss bereits der Checkin offen ist. Negativ. Ich mache mich auf die Suche nach Espresso. Auch Negativ. Ache menno… Es gibt im ganzen Non-Airside-Bereich in T5 keinen Espresso, nur Kaffee. Also nicht mal das, sondern so Ami-Brühe, die das als Kaffee verkaufen. Wie ich dieses Terminal hasse… 

Gegen 11:30 dann die Erlösung, die Kollegen von der Swiss öffnen die Schalter. Ich nehme den Eingang ganz rechts, da wo „First“ drauf steht. Nach 2 Minuten überreicht mir das nette Mädel ich meine Eintrittskarte zum Himmelreich. 

Weitere 5 Minuten später bin ich durch die Security durch und schlurfe Richtung Swiss Lounge bei Gate M9. Hier gibt’s nen Bereich für Business und First, baulich getrennt. Im First-Bereich bin ich ganz alleine und die Damen sind auch noch beim Aufbauen. Ich werde höflich nach meinen Wünschen gefragt, ich bin aber ganz froh wenn ich mich unbeschwert selbst bedienen darf. 


Durchaus heimelig

Was negativ aufstößt: Duschen ist wohl nich! Ich denke darüber nach die die Diskussion zu starten, ob es auch mit dem F-Ticket keine einzige Möglichkeit gibt, in diesem Terminal irgendwo duschen zu können, wie auch immer. Eine vorsichtige Nachfrage wird mit entschuldigendem Kopfschütteln beantwortet. Leider keine Chance. Ich muss leider die Toilette als Nasszelle mißbrauchen, das ist aber im Sinne aller Beteiligten das Beste 

Nach einigen Häppchen und ein wenig Espresso und Perrier stoßen in Summe 3 Pärchen in der Lounge dazu. Aus mit der Intimität. Aber gleich ist ja eh Boarding – und schon werden wir von einer adretten Dame abgeholt.

Beim Boarding ist schon recht hektisches Treiben, ich gehe entspannt und gelassen an der Menschentraube vorbei und reihe mich galant vorne ein. Schön ist, dass trotz Menschenmenge am Ende des Fingers kein Stau ist. Die Dame am Eingang der A333 begrüßt mich herzlich, bittet mich nach links abzubiegen und verabschiedet sich mit den Worten „bis gleich“. Sehr gerne, ich freue mich.

 

zwölftens – das große Finale!


14:40 LX2609 ORD-ZRH, First

Im vordersten Abteil angekommen sind zwei der Pärchen aus der Lounge schon auf der rechten Seite des Fliegers verteilt, die linken 4 Sitze sind leer. Ich wurde auf 1D gebucht, würd aber doch lieber ans Fenster. Noch als mir das durch den Kopf schießt kommt die Dame von Tür 2L und empfiehlt mir Platz 2A. Ich folge der Empfehlung und bereue es nicht. Während ich mich häuslich einrichte kommt schon der Kollege von vorne, begrüßt mich und reicht mir Champagner. Beide FAs machen einen sehr herzlichen und kompetenten Eindruck. Ich fühle mich schon von Beginn an Pudelwohl, der Service und viel wichtiger die Chemie stimmen und ich freue mich auf einen wohl viel zu kurzen Nachflug.


Die Aussicht für die nächsten 9 Stunden. Könnte schlimmer sein!

Noch vor dem Start gibt’s etwas Gebäck und ein Krustentier. Monsieur liefert noch etwas Gebäck nach, nicht dass es aus geht… Mein Essenswunsch – das Steak – wird lächelnd und wohlwollend nickend aufgenommen.


Knuspern und Schlürfen wie es sich gehört

Start ganz entspannt und ruhig, der Service geht sehr zügig danach los. Ich lasse die beiden FAs wissen dass ich keine Eile habe, entsprechend werden die beiden Pärchen zuerst „abgefertigt“. Das soll nicht zu meinem Nachteil sein, denn die sind ziemlich schnell in der Horizontalen und beide FAs konzentrieren sich auf mich.


BTW das da in der Ecke ist meine Mütze. Ich hab n Faible für schräge Motive, zaubert auch immer wieder mal n Lächeln auf andere Gesichter. Hat auch hier geklappt…

Das was dann folgte, meine Damen und Herren, war und ist einfach nicht zu toppen. Da passte alles, von den Speisen und Getränken in Qualität und Anzahl, Geschmack und Aussehen. Dazu das perfekte Timing der beiden, die immer genau dann um die Ecke kamen wenn ich es so gewollt hätte. Das Glas war nie leer, und wenn ich einen Gang beendet hatte wurde stets gefragt ob ich noch etwas davon wollte oder ob ich zum nächsten Gang übergehen möchte. Meine Unschlüssigkeit bei der Weinauswahl wurde mit einer Verkostung der vorhandenen Sorten ausgeräumt (der Spanier hat gewonnen). Das Steak war medium rare. Das hab ich bisher so bei keiner Airline bekommen. Zum Espresso gab es die Pralinenschachtel dazu. Die ganze Schachtel! 


Zwar vegetarisch, aber wenns so gut ausschaut dann mach ich mal ne Ausnahme


Das ist einfach ein kompletter Hummerschwanz, als Zwischengang der Vorspeise. Warum auch nicht?


Der Lachs schwimmt sicher gerne im Champagner!


Schöner Zwischengang, das Süppchen von der Süßkartoffel


Damit das Fleisch im Magen gleich auch weich gebettet wird ein Salätchen.


Ich nehm ne Dose vom dem linken!


Das perfekte Flugzeugsteak


Zum Käse gab es auch einen Happen Obst.


Gute-Nacht-Hupferl

Nach dem opplulenten Mahl quatsche ich ein wenig mit den beiden FAs und lasse mein Bett machen. Ich schlummere sanft ein und werde ebenso sanft – wie gewünscht – eine Stunde vor Landung zum Frühstück aufgeweckt. Ich beschließe davon keine Fotos zu machen und mich komplett auf den Genuss zu konzentrieren. Es gibt Aufschnitte von Wurst, Lachs und Käse, verschieden Schälchen mit Obst und Quarks/Cremes, Eierspeisen und alles drum herum. Es mangelt an nichts und ehrlich gesagt bin ich auch mit recht wenig zufriegen aktuell, ich genieße den Moment.

Alles in allem wirklich eine absolute Spitzenvorstellung die man mir hier geboten hat. Mein letzter und ganz frischer Benchmark war SQ22, wobei wohl eher die damals brandneue F im A388 der LH in der selben Liga spielt. Aber diese Runde geht eindeutig an die Kollegen der LX. Chapeau. Das hab ich so auch im Feedback Formular vermerkt, das freudestrahlend angenommen wurde. Dazu hab ich der MdC meine Begeisterung mitgeteilt. Sie freute sich glaube ich ebenso wie ich. Das Schönste aber war das herzliche Gemüt der beiden FAs und die geradezu spürbare Freude an ihrem Job. Das ist durch nichts zu ersetzen, nicht in der Dienstleistungsbranche und auch sonst nirgendwo, meiner Meinung nach. Einfach großartig.

Mein Reumee: In den amerikanischen Airlines war ich nur Fracht. In einigen meisten Europäischen Airlines bin ich Passagier. Bei SQ in C und LX in F bin ich Gast. Das macht einen himmelweiten Unterscheid. Leider ist meine Reisebudget nicht ganz so grenzenlos wie meine Phantasie, also muss ich wohl auch in Zukunft ab und zu Fracht oder Passagier sein. Aber nur dann schätzt man wohl den wirklichen Premiumservice 

Nach der Landung bedanke ich mich bei den Beiden, die Beiden bedanken sich bei mir, wir wünschen uns ein baldiges Wiedersehen und eine schöne Weiterreise. Ich steige aus dem Flieger mit einem Grinsen so breit wie die Tür durch die ich trete. Das war der Wahnsinn! Dieser Flug ist ein Erlebnis, das ich so schnell nicht wieder vergessen werde. 

Am Airport recht zügig in die Heidebahn und durch die Passkontrolle ab zum Gate, dort direkt in den Cobus und in die recht leere Avro gestiegen. Easy soweit und mehrfach geübt.


Sonntag

dreizehntens – und letztens

7:05 LX1164 ZRH-STR

Die Avro hebt uns über die Schweizer Wolkendecke. Der Flug: Nothing to write home about. Auch wenn der FA super nett ist und sicher nen tollen Job gemacht hat: Meine Gedanken sind noch auf 2A des letzten Fluges. Wir fliegen im Sonnenaufgang gen Stuttgart, die Sonne scheint, ich grinse wie ein Honigkuchenpferd. 

In Stuttgart endet eine sehr bewegende, ereignisreiche und vor allem inspirierende Reise, von der ich noch lange zehren werde. 
Ich freue mich dass ihr mitgeflogen seid – bis demnächst 



Avro am morgen vertreibt Kummer und Sorgen