Set Primary menu by going to Appearance > Menus

Kawah Ijen – blaue Flammen im Vulkan

Prolog

Kurz vor Mitternacht… das neue Jahr ist grade mal zwei Tage alt. Meine Beine sind schwer. Ich bin müde. Kranke Idee, was wir da vorhaben gleich… es klopft an der Tür, Fendi ist da! Es geht los.

Gilimanuk, West-Bali

Wir sitzen am Tisch eines „Restaurants“ im Fährhafen. Es gibt Bakso, eine Fischbällchensuppe für unfassbare 20 Cent pro Portion. Hier kriegt man noch was fürs Geld, denn das Zeug wird frisch zubereitet von nem Typen, der aussieht, als hätte er die letzten 50 Jahre nichts anderes gemacht. Sicher würde der WKD den Laden direkt dicht machen, aber wir sind ja nicht so zimperlich.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Bakso, alter…

Gestärkt und ausgeruht laufen wir zum Fährterminal (der den Namen nicht wirklich verdient hat – Fährbaracke wäre treffender) und kämpfen uns zum Ticketschalter vor. Für ein paar tausend Rupien gibts das Ticket auf die andere Seite der Meerenge. Einige Schritte weiter und eine Treppe hoch über einer Brücke und wir betreten eine Fähre, auf die uns ein Hafenwächter geschickt hat. Gibt natürlich keinerlei Schilder oder sowas, die einem sagen könnten ob das alles passt was hier abgeht.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Die Jungs nebenan schwimmen noch ne Runde…

Auch auf dem Schiff wieder: kein westlicher Standard. Zum Glück ist das Wetter gut, die See ruhig und man sieht viele anderen Schiffe unterwegs. Kann also nicht wirklich viel schief gehen. Das Passagierdeck ist recht voll und wird von einem Musikverkaufsstand lautstark beschallt.

Auf dem Oberdeck gibts noch ein Bänkchen für uns, bisher sind wir die einzigen „Westler“ auf dem Kahn – mit Ausnahme zu dem Australier der uns gegenüber sitzt. Kaum laufen wir aus dem Hafen aus hält das Teil schon wieder an. Scheint aber außer uns keinen zu interessieren. Ich komme ins Gespräch mit einem Local, der uns erklärt, dass auf der anderen Seite der Hafen viel weniger Docks hat wie auf dieser Seite. Also müssen die Fähren unterwegs warten bis auf der anderen Seite eine Position frei ist. Macht ja Sinn…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Vor Sonnenbrillenverkäufern ist man einfach nie sicher!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Hochmoderne Ausstattung der Brücke

Wir holen Bier und teilen es mit dem Local. Balinese, der als Tauchlehrer in Thailand arbeitet. Die offensichtlich muslimische Fraktion findet es nicht gut, dass wir Bier trinken, ein Mann hält seinem jungen Sohn die Hand vor die Augen. Ca. 1 Stunde nach Abfahrt dürfen wir dann auch von Bord und betreten Java.

Ketapang, Ost-Java

In der Schafherde werden wir in Richtung Hafenausgang geschoben. Als wieder etwas Luft ist kommt ein Local auf uns zu und fragt ob wir ein Ziel hätten oder ob er helfen könnte. Ich vermute erst einen „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“, dafür ist er aber doch irgendwie zu sympathisch und spricht super Englisch. Also frage ich ihn was er zu bieten hätte. Er sei „Tourist-Guide“ mit Spezialisierung auf Vulkan-Touren. Aha. Wir kommen ins Gespräch und klären die Eckdaten, für Details verabreden wir uns in unserer Hotel-Lobby in einer halben Stunde.

Mit einem „Bemo“ (so werden die Kleinbusse genannt, die Punkt-zu-Punkt fahren) werden wir für 30.000 Steine zum Hotel gefahren, Das sind etwa 2 Euro. Für 15 Minuten Fahrt und 3 Personen ist das ganz okay, aber sicher immer noch ein Touristenpreis.

Mirah Hotel Banyuwangi

Fendi, unser Guide, erwartet uns bereits in der Lobby. Wir klären die letzten Einzelheiten unserer Tour und verabreden uns „auf später“. Super Typ, wir freuen uns auf das kleine Abenteuer, das da folgen wird.

Zum Hotel… sagen wir mal so: wenn mich jemand fragt, ob ich das „Mirah“ empfehlen kann… dann würde ich das nur bei Leuten bejahen, die ich nicht leiden kann. Recht abgewohnt, der Pool auf den Bildern sehr vielversprechend, in Wahrheit aber ein Feuchtbiotop, das seine besten Jahre hatte als das Internet noch aus Holz war.

Zum Glück gibts ein Restaurant nebenan, das neben kaltem Bier und Snacks auch Internet bietet. Mit vollem Magen und leicht einen Sitzen gehts dann am frühen Abend ins Bett.

Abfahrt zum Kawah Ijen

Kurz nach Mitternacht steigen wir in einen „Isuzu Trooper“, genau das Modell hatten wir in der Familie vor ca. 10 Jahren ausgemustet. War ein tolles Gefährt, ich freue mich und hab nostalgische Gedanken… Fendi gibt dem Fahrer einige Instruktionen – nehme ich zumindest an, mein Indonesisch ist etwas eingerostet. Etwa 20 Minuten Fahrt später halten wir an einem Mini-Mart an und decken uns mit Wasser uns Snacks ein. Dazu gibts Kekse und Kippen als Geschenke für später.

Im Auto frühstücken wir Red Bull, ich teile die erste Packung Kekse mit dem Fahrer der wohlwollend den Keks entgegennimmt. Verständigung ist schwer, aber „Keks?“ verstehen alle 🙂

Wir rauschen durch die Nacht und fahren die Hügel hinauf, durch Banyuwangi. Laut Fendi eine Stadt mit fast 2 Mio Einwohnern im Einzugsgebiet. Fühlt sich an wie ein etwas größeres Dorf.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Genau so fühlt sich das an!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Huuuiiii….

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Gradeaus

 

Paltuding, Kawah Ijen Base Camp

Wir sind vom vollen Parkplatz überrascht. Es ist grade mal 1 Uhr nachts und trotzdem sind ca. 50 Autos am Start. Es ist recht feucht und frisch, das hilft beim wach werden. Mit vielen anderen Menschen – vorwiegend indonesischen und einigen japanischen Touristen – machen wir uns auf den Weg zum „Rim“, dem Kraterrand. Neben dem Parkplatz gibt es tatsächlich ein paar Irre im Zelt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Nur die Harten…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Basecamp. Man achte auf die Hinweise rechts…

Bergauf auf dem glitschigen Untergrund ist es nicht ganz einfach, zudem bin ich nicht wirklich fit. Für die rund 500 Höhenmeter brauchen wir knapp anderthalb Stunden, sicher keine Glanzleistung. Aber immer noch in Time. Am Kraterrand tummeln sich erstaunlich viele Leute. Warnschilder sollen uns davor abhalten was wir gleich vorhaben: der Abstieg in den Krater ist nämlich offiziell verboten!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Was uns das wohl sagen will?

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Das hat reinen Empfehlungscharakter

Blaues Feuer im Vulkan

Natürlich interpretieren die Meisten die Warnhinweise nur als Empfehlung, entsprechend groß ist der Andrang auf dem schmalen Weg nach unten. Als wir uns ein wenig von der Meute trennen und einen netten Platz suche um uns auszuruhen und die Aussicht zu genießen bekommt man aber von den anderen Leuten kaum noch was mit. Außerdem ist die Aussicht viel zu skurril um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Der Berg brennt nämlich blau. Mannshohe blaue Flammen schlagen aus den Steinen. So noch nie gesehen und sicher auch nicht ganz üblich. Eine chemische Reaktion der austretenden Schwefelgase sorgt wohl für die Färbung.

Leider bringen die Bilder auch nicht annähernd rüber wie das ganze Spektakel in „echt“ aussieht. Und sich vor allem anfühlt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Blaue Flammen

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

beeindruckend

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Manche fotografieren mit Blitz…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

und nochmal, weils so schön ist

Rund eine halbe Stunden schauen wir gebannt den Berg hinunter und beobachten das Treiben. Die Atmosphäre ist super, irgendwo zwischen mystisch und surreal einzuordnen.

Wir machen uns auf den Weg weiter runter in Richtung des Kratersees. Fendi bringt uns in ein Zelt, in dem einige Minenarbeiter chillen. Man kennt sich, und so machen wir es uns im Zelt bequem – so bequem es eben in einem Minenarbeiterzelt im Krater eines aktiven Vulkans geht. Die Arbeiter bekommen Kekse und Kippen und freuen sich über eine letzte Stärkung vor „Schichtbeginn“.

Langsam wird es heller, die meisten Touristen sind wohl grade kurz vor dem Kraterrand um den Sonnenaufgang zu beobachten. Es ist aber eh recht bewölkt, wir bleiben also lieber unten und freuen uns über einen wenig bevölkerten Krater.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Splitter

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Schwefelbastelstube

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Chillen in der Minenbaracke

Als die Sonne unsere Taschenlampen überflüssig macht marschieren wir zum Schwefelfeld, dort wo unsere Minenarbeiter schuften. Ein ziemlich verrückter Ort:

Der Boden färbt sich grau, orange, gelb, es knarscht beim Laufen. Überall Schwefel-Splitter.

Am Ort, wo der Schwefel austritt, wird er über ein Rohrsystem umgeleitet und auf den Boden gekippt. So bald er erkaltet werden Platten herausgebrochen, die dann in Körben nach unten transportiert werden. Wenn der Wind günstig steht wird der Schwefelrauch nach oben gedrückt, an der Kraterwand entlang. Wenn der Wind aber dreht steht man sofort in einer undurchsichtigen Wolke, es beißt in Augen und Lunge. Wir binden uns T-Shirts vors Gesicht, das hilft zumindest ein wenig wenn man Atmen muss.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Schnell noch n Rohr verlegen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Wir sind nicht ganz allein.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Brücke marke „Eigenbau“

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Schwefelrauch als Urlaubsgruß

Wir probieren uns kurz selbst im Schwefelabbau, so lange die Arbeiter unsere mitgebrachten Kippen rauschen. Echte Knochenarbeit. Die Brocken wiegen rund 20-30 Kilo, die Träger suchen sich passende Teile aus um maximal viel Schwefel in Balance erst den Krater hoch und dann zur Wiegestation zu bringen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Hinten ist getrockneter Schwefel

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Hier wird das passende Stück gewählt

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Schwefel-Selfie #YOLO

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

„Lasst mich mal ran da“

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Neu im Schwefel-Business

Säurefass der Erde

Als der Wind uns ein paar mal ungünstig erwischt flüchten wir an den Ufer des Sees. Dieser wird von Geologen auch „Säurefass der Erde“ genannt, weil das Wasser dort eben entsprechend sauer ist. Man kann wohl reinfassen und wenn man sich danach die Hand wäscht ist das auch ungefährlich – probieren wir aber nicht. Allein der unfassbare Geruch die ganze Zeit reicht uns.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Ein lauschiger Ort

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Überall Rauch

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Et voilà, der Säuresee

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

#Posing

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Skurril

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Schwefel-Closeup

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Was sagt eigentlich die Gewerkschaft zu den Arbeitsumgebungen?

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

abgefahren

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

unreiner Schwefel

Der Weg nach oben steht an. Wir versuchen uns im Schleppen der Körbe. In Summe packen die Arbeiter rund 70 bis knapp über 100 Kilo in die Transportbehälter. Das ist an sich ja schon nicht ganz leicht, aber die Jungs laufen mit Flipflops damit erst den steinigen Weg hoch und dann den rutschigen Weg ein gutes Stück ins Tal. Beeindruckend, aber nicht beneidenswert.

Man kann in dem Job pro Monat gut 300 US Dollar verdienen, das ist weit über den Durchschnittslohn auf Java. Die Arbeiter vererben den Job innerhalb der Familie, allzu lange kann man ihn nicht machen – aber er ist begehrt und lukrativ.

Manche Arbeiter gießen aus dem Schwefel kleine Figuren – Hello Kitty, Disneyzeug, Schildkröten und so kram. Dafür wollen sie rund 70 Cent, wir decken uns ein wenig damit ein. Tut uns nicht weh und die Jungs haben was davon. Dazu verteilen wir fleißig Kippen und Kekse.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Dafür gehen manche ins Gym!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Und ab gehts…

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Erstmal n Keks

Aufstieg

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Unsere Lieblings-Baracke

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Bröseliger Stein

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Man sieht den See vor Schwefel nicht

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Fende im Meditations-Sprungbild

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Geländer… danke!

 

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Fast oben!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Was genau ist hier ausgelaufen?

Oben angekommen ist der meiste Trubel vorbei, es kommen vereinzelt Menschen den Berg hoch, die meisten scheinen aber bereits wieder weg zu sein. Es ist sehr bewölkt und es nieselt.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

„Rim“

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

heißer Schwefelrauch hat hier mal nen Wald niedergemacht!

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Hier wächst nix

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Noch n bisschen Schwefel für aufn Weg?

Vor der Wiegestation machen wir kurz Halt bei einigen der Arbeitern, dazu gibts Foto-Sessions und – tadaa – Kippen und Kekse.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Die Schwefel-Crew

2015-01-03 06.26.53

Es ist warm und irgendwie nass

2015-01-03 06.39.29

Funky Pfeiler #SWAG

2015-01-03 06.44.02

Ameisenstraße

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Spass beim Abstieg #Monkey

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

unser Trooper

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

ganz schön fruchtbar

 

Traum oder Realität?

Ca. 2 Stunden später sind wir wieder im Hotel, pünktlich zum Frühstück. Wahnsinn, dass wir schon 9 Stunden wach sind. Und noch viel Wahnsinniger, wenn wir drüber nachdenken, was wir da eben erlebt haben. Irgendwie fühlt es sich nicht ganz real an, der Gestank der Klamotten und die dreckigen Schuhe erzählen uns da was ganz anderes.

Wir bezahlen Fendi und den Fahrer. Fendi verlangt für seine Führung übrigens ca. 11 EUR, wir bezahlen rund das selbe nochmal als Trinkgeld. Der Fahrer bekommt mehr, weil Auto und Sprit doch nicht ganz umsonst sind. Dazu kommen 30 EUR pro Nacht fürs Hotelzimmer, dazu die Fahrten von und zur Fähre auf Bali und die Fähre selbst. In Summe pro Person macht das ca. 60 EUR.

Im Internet werden solche Touren mit vergleichbarem Umfang für über 200 USD angeboten. Wenn ihr in der Nähe seid: macht das auf eigene Faust. Es lohnt sich und fühlt sich besser an 🙂