Dieser Beiträg könnte auch heißen „ich glaub ich steh im Wald“ – aber dazu später mehr!
Nach dem Check-Out nehme ich persönlich Abschied von Tiffany, der guten Fee des Shangri-La Taipei. Sie klärt nochmal mit dem Taxifahrer mein Fahrtziel und wir winken uns ein letztes Mal zu. War sehr nett, ich komm gerne wieder!
Taiwan High Speed Railway
Der Berufsverkehr ist zum Glück schon vorbei und so dropt mit der Taxifahrer nach einer knappen halben Stunde vor dem Hauptbahnhof von Taipei. Mit meiner Reisebegleitung bin ich vor den Fahrkartenschalter der „THSR“ verabredet. Die Idee erschien uns erst brillant, aber nach kurzem Check des Lageplans war klar wie naiv wir waren: auf den drei Etagen gibt es auf jeder Eben an mehreren Stellen Fahrkartenschalter. Ich war ganz oben, sie ganz unten. Aber gut, ich mache mich auf den Weg zu ihr und wenig später halten wir uns und zwei Business-Class Tickets in den Händen. Der Zug fährt in 15 Minuten, das reicht um noch schnell ne Snackbox zu ziehen.
Ein Stockwerk höher sind die beiden Gleise des High Speed Trains, dort wartete direkt unser 700T „Shinkansen“ mit der Zugnummer 653 Richtung Süden. Mit dem Business Class Ticket sind auch Plätze reserviert, wir sind in einem der mittleren Wagen und haben kurze Wege zu den Sitzen. Ist nicht viel los im Zug, aber das ist nicht schlimm 🙂
Pünktlichst gehts los und wir schießen durch den Tunnel, erst in Richtung Nordwesten bis wir irgendwann an der Oberfläche in den Süden abbiegen. Nach kurzer Zeit startet der Service, die Damen laufen mit Wägelchen durch die Reihen und verteilen Getränke und Kekse. Die Fahrt ist überaus entspannt, der Zug sehr leise und es vibriert nix. Das könnte daran liegen, dass die Strecke und der Zug recht neu sind und zudem die Trasse komplett auf Stelzen verläuft – von wegen Erdbebensicher und so.
Draußen ziehen kleine Dörfer vorbei, die etwas verloren in der Weiten und recht flachen Landschaft wirken. Im Hintergrund thronen Berge, alles ist recht grün und sieht sehr fruchtbar aus.
Chiayi
Ca. anderthalb Stunden nach der Abfahrt in Taipei erreichen wir Chiayi. Das liegt im Südwesten und ist mit knapp unter 300.000 Einwohnern eine überschaubare Stadt. Aussprechen tut man das natürlich anders als ich es als Europäer mir selbst zurechtgelegt habe, so muss ich einige Lacher über mich ergehen lassen und werde aufgeklärt (man sagt „Tscha-[pause]-ii“). Von Fernbahnhof würde zwar ein Bus in die Stadt fahren, aber wir machen nen guten Deal mit den Taxifahrer und lassen uns direkt zum Hotel karren. Erstaunlicherweise kann der Taxifahrer nicht nur Auto fahren, sondern vor allem Reden, und zwar ohne Punkt und Komma und sogar ohne Luft zu holen. Dazu kommt, dass ich das ganze ja auch nicht versteh. Etwas skurril die ganze Nummer, meine Begleitung bemerkt das aber irgendwann und bremst ihn etwas ein 😀
Hotel für die eine Nacht ist das „Maison de Chine“, ziemlich direkt in der Innenstadt. Mit 4 Sternen gehört es zu den besseren Hotels, ich hab übrigens nicht wirklich ein namhaftes „Kettenhotel“ gefunden in der City. Der Standard ist für chinesische Verhältnisse gut und der Preis mit ca. 40 EUR pro Nacht recht fair.
Jetzt mal zur Sinnfrage des Unterfangens: Was mach ich eigentlich in der Taiwanesischen Provinz? Mal ganz davon abgesehen, dass ich seit ich den Zug verlassen habe nur noch Asiaten gesehen habe, keinen einzigen „Westler“. Die Antwort ist aber recht einfach: ich hab mich an meine Begleitung rangehängt, und die wollte unbedingt die „Alishan Mountains“ sehen. Und um da hin zu kommen führt eigentlich kein sinnvoller Weg an Chiayi vorbei. Unsere erste Idee, am Ankunftstag noch in die Berge zu fahren, scheitert daran dass uns keiner dahin fahren will. Und offizielle Touren gibt es nur früh morgens. Also Berge am nächsten Tag und heute Alternativprogramm: Da war irgendwas mit Glühwürmchen!
Die Begleitung telefoniert mit einem lokalen Reisebüro und kommt danach traurig zu mir mit den Worten „all the fireflies are dead“. Scheint irgendwie zu kalt gewesen zu sein oder was auch immer. Ich versuche sie aufzumuntern indem ich erkläre:
The part of the firefly that glows is basically a string of shit
Ist wohl biologisch nicht ganz richtig, aber da hängt halt son klebriger Faden am Hintern der Tiere…
Die Aufmunterungs-Geschichte funktioniert und wir machen andere Pläne; für heute reicht uns auch eine Runde durch den Stadtpark. Ich bekomme die beste Karte vom Hotel und kann tatsächlich damit zum Stadtpark navigieren. Wobei wir nur einmal abbiegen müssen, ein komplexeres Routing hätte mich sicher ins Schleudern gebracht 😀
Beim Kreisverkehr biegen wir ab nach Osten.
Im Park gehts durch Torbögen erstmal zum Spielplatz…
Der Park wird von allen Altersschichten genutzt, von den ganz jungen die hierher kommen zum Spielen oder Toben über irgendwas dazwischen bis hin zu Leuten in stattlichem Alter die vor allem Gymnastikübungen machen. Was irgendwie lustig anzusehen ist. Fast so lustig wie der Kratzbaum 😀
Etwas weiter im Park finden wir einen kleinen Tempel der von einem Drachen bewacht wird. Direkt dahinter wieder ein Spielplatz, leider ohne Rutsche.
Wir biegen links ab in den bewaldeten Teil und stehen mehr oder weniger im Dschungel. Wir verlaufen uns ein wenig und kommen auch auf nicht befestigten Wegen immer wieder an roten Schildern vorbei. Ich hab mir da keine Gedanken gemacht, bis ich irgendwann im Fluss eine zwei Meter lange Schlange gesehen hab. Na dann machen die Schilder vielleicht irgendwie Sinn?!
Wieder zurück im Park stoßen wir auf den „Sun-Shooting Tower“, einen 62 Meter hohen Turm mit Dachcafé und Outdoor-Dachgarten. Das aussehen ist wohl einem berühmten Baum nachempfunden – aber das Original sehen wir uns erst am nächsten Tag an. Oben eine kleine Erfrischung gezogen und Bilder geknippst.
So, genug Natur für heute – Hunger! Ab in die City zum Abendessen.
Ein Hotpot Laden rettet uns kurz vorm Verhungern 🙂
Wieder auf dem Weg zum Hotel kommen wir wieder an so nem Happening vorbei. Es sieht einfach verrückt aus wenn viele Menschen sich synchron bewegen – und dazu noch so „anders“.
Vor dem Hotel zieh ich mir noch ein paar Bier vom 7/11. Vor unserem Zimmer ist so ne Art Lounge, ein großer Raum mit Tischen und Sofas, Fernseher und PCs. Außer uns ist keiner dort und wir mach es uns bequem. Irgendwann sprechen wir über den Film „Spirited Away“, der wohl einen gewissen Kultstatus hat. Ich kenne ihn nicht, und so nimmt meine Begleitung ihr iPhone heran um den Film zu suchen. Wir schauen also auf einem Telefon einen Japanischen Film (in japanischer Sprache) mit Chinesischen Untertiteln, die dann für mich als Deutschen synchron in English übersetzt wurden. Und das verrückte: ich glaub ich hab das meiste verstanden 😀
Jedenfalls war der Film ganz cool, ich schau mir den vielleicht nochmal „normal“ an. In unserer Sphäre heißt der Streifen übrigens „Chihiros Reise ins Zauberland – Klick
Es wird eine kurze Nacht, denn am nächsten Morgen kommt früh das Taxi, das uns in die Berge bringen wird.
Alishan Mountains oder „ich glaub ich steh im Wald“
Frühstück im obersten Stockwerk. Bisher immer noch keinen Nicht-Asiaten gesehen, entsprechend fällt das Frühstück auch sehr asiatisch aus. Aber mir reicht das als Stärkung für einen der längsten Tage der Reise. Schnell ausgecheckt und unten aufs Taxi gewartet. Wir fahren schnell aus der City raus auf Überlandstraßen, es ist kaum was los nur ab und an ist ein LKW oder Bus zu sehen. Die Landschaft wird immer hügeliger und aus Feldern werden Wälder. Viele Serpentinen hoch und runter sowie knapp 2 Stunden später sind wir dann an der Pforte zur „Alishan National Scenic Area“. Wenig später steigen wir bei der „Alishan Mountain Railway Station“ aus. Mittlerweile ist aus dem vorher noch recht klarem Himmel ein graues Etwas geworden. Und jetzt fängt es auch noch an zu tröpfeln. Da ich als alter Outdoor-Hase natürlich nur ein T-Shirt und kurze Hosen am Start habe und meine Begleitung ähnlich gut ausgestattet ist laufen wir die umliegenden Buden ab und finden Plastik-Ponchos.
Für ein paar Dollar lassen wir uns zwei Fahrkarten für die Bahn raus und steigen in den vorderen Waggon, wo gleichzeitig auch den Steuerstand für den Zug ist. Neben uns einige Chinesen, die vor allem auf ihre Handys als auf die Landschaft schauen.
20 Minuten später stehen wir im Wald. Und zwar beim Endhalt der Zuglinie 100. Krasses Gegenteil übrigens zum THSR Vergnügen, ich glaube Entschleunigung nennt man das.
Man kann hier im Wald eigentlich nur den Rundgang machen, allerdings hat man die freie Wahl in welche Richtung. Wir schwimmen heute mal mit dem Strom und folgen den chinesischen Reisegruppen gegen den Uhrzeigersinn. Es geht über Holzplanken mit Geländer auf beiden Seiten durch die Wildnis. Das verrückte ist: als Deutscher kennt man Wald ja als eher unerschlossenes Gebiet, zwar mit geschotterten Wegen aber eben offen für Querfeldeinmärsche. In China ist das eher so ne Zoo-Feeling. Man läuft auf definierten Wegen und schaut sich Bäume an. Denke mal anders würden es weder die Besucher noch der Wald schaffen zu überleben. Alle paar Bäume gibts Schilder die eben die Bäume beschreiben: Name, Alter, Höhe etc…
Auf halber Strecke haben wir dann den Turnaround erreicht. Es gibt hier ein Restaurant für die Touristengruppen und natürlich das Highlight, den „Sacred Tree“.
Die Situation ist skurril: ich stehe als einzige Langnase mitten im Wald. Der Poncho ist wasserdicht, und zwar lässt er kein Wasser mehr nach draußen, ich bin klatschnass. Um mich rum hunderte Chinesen, die endlich mal in den Wald gekommen sind um dort möglichst laut zu sein und viele Bilder online zu posten. Wald war für mich immer nur der Ort wo ich mal hin bin wenn ich keinen sehen wollte.
Als wir uns auf den Weg zurück zur Zughaltestelle machten will meine Begleitung unbedingt nochmal einen Seitenpfad (natürlich auch mit Holzplanken befestigt) auskundschaften. Also verlassen wir die Meute und kommen tatsächlich mal in eine ruhige Ecke zu einer Plattform mit schöner Aussicht. Es ist endlich ruhig, man hört nur die Regentropfen fallen. Ich finde das großartig, meine chinesische Freundin bekommt eher Angst. Ist es nicht gewohnt, so alleine und ohne Lärm. Ich musste ihr das erstmal beibringen zu genießen. Es klappt eher so mittelgut, also laufen wir nach einiger Zeit zurück zu den Menschenmassen und fahren im letzten Zug des Tages wieder zur Alishan Station.
Das Taxi wartet schon – wie verabredet – vor der Station und bringt uns wieder zum Hotel. Gegen 14 Uhr schlagen wir dort auf, ich verabschiede mich von meiner Freundin *Ciao* und steig wieder ins Taxi zum THSR Halt Chiayi. Nach 25 Minuten dropt mich der Taxifahrer dort, ich halte 3 Minuten später meine Fahrkarte in der Hand und geh zu den Gleisen. Schön: die Züge fahren jede halbe Stunde. Hab zwar genau den Zug bekommen den ich auch geplant hatte, aber auch ne halbe Stunde wäre noch voll okay gewesen.
Adieu Süd-Taiwan, ich komm bestimmt mal wieder vorbei.
Die Regentropfen ziehen an der Scheibe vorbei, ich döse vor mich hin. Ab und an schiele ich auf die GPS-App am Handy, die meldet über 320 km/h Spitzentempo.
Ca. 1 Stunde Fahr später erreichen wir die Taoyuan Station – das ist noch vor Taipei aber recht nah beim Airport. Es scheint als würde dort bald eine U-Bahnhaltestelle eröffnet, die wohl auch den Flughafen anbindet. Bis dahin gibts aber Busse, die im 15 Minutentakt zum Taoyuan International Airport fahren.
Nach etwa 20 Minten steige ich am Terminal 1 aus und gehe ins Departure Level zu den freundlichen Damen von Cathay Pacific.
Das wars Taiwan, vielen Dank für die tolle Zeit – I will be back! 😀